Salzderhelden und das Salz
Eine zeitgeschichtliche Übersicht von Bastian Sauthoff
- Primitive Solequelle und erste Nutzung
- Salzproduktion im Mittelalter
- Soleförderung ab 1586 durch die Wasserkunst
- Das erste „Leckewerk“
- Verpachtung und Verlegung des Salzwerkes vor den Ort
- Die erste Tiefenbohrung und Errichtung einer Solebadeanstalt
- Die zweite Tiefenbohrung und Erweiterung der Anlagen
- Elektrifizierung und Stilllegung der Saline
Primitive Solequelle und erste Nutzung
Salz war schon immer für die Menschen ein wichtiges Mittel, um Fleisch zu konservieren und das Essen schmackhafter zu machen. Darüber hinaus ist es sehr wichtig für die Mineralstoffversorgung des Körpers. Deshalb wurden schon zu vorchristlicher Zeit natürlichen Salzvorkommen nutzbar gemacht. Im Leinetal treten an mehreren Stellen salzige Quellen hervor, die von einem großen Salzstock in 400 bis 900 Meter Tiefe gespeist werden. Heute sind diese nur noch durch den Bewuch mit Salzpflanzen einzelner Flächen im Polder zu erahnen. Der Sage sind die Bewohner der umliegenden Siedlungen durch eine salzige Kruste auf dem Rücken von Schweinen, die sich in Sole gesuhlt haben, auf die Quellen gestoßen.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Quellen zu Brunnen ausgebaut und im elften oder zwölften Jahrhundert wird man in Salzderhelden Salz daraus produziert haben, wobei es den Ort Salzderhelden als solches noch gar nicht gab. Die Quellen lagen nämlich in der Talaue und die damaligen Siedlungen Boenekenhusen, die sich etwas südlich des heutigen Bahnhofes befand, Jeinsen (in der Nähe des Rosenplänters) und Heldeshusen (an der Landstraße auf halber Höhe nach Rittierode) waren außerhalb des sumpfigen, oftmal überschwemmten Gebietes am Waldesrand entstanden.
Durch den hohen Wert des Salzes im Mittelalter siedelte man jedoch trotzdem in die Nähe der Quellen. Unterhalb des Heldenberges war das Gelände noch am höhsten, sodass der Ort Salzderhelden dicht gedrängt am Berg entstand. Der wirtschaftliche Aufschwung und die Bedeutung der Quellen wird dazu geführt haben, dass auch der Landesherr seinen Einfluss auf die hiesigen Gebiete sichern wollte und deshalb Salzderhelden als Bauplatz für eine Burg wählte. Gesicherte Quellen über die Anfänge des Salzsiedens und der Burg gibt es leider – nach der derzeitigen Archivlage – nicht mehr. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes im Jahr 1305 gibt bereits Auskunft über eine produzierende Saline. Die Heldenburg ist 1320 das erste Mal urkundlich zu finden.
Salzproduktion im Mittelalter
Über die Jahre hinweg entwickelten sich 15 sog. „Salzkoten“, also kleine Siedehäuser, die in der Nähe des Solebrunnens in dem Areal , das von den heutigen Straßen Tiestraße, Alte Marktrstraße Knickstraße und Am Brunnengarten, lagen. Die per Hand geförderte Sole wurde eventuell durch hölzerne Zuleitungen in die Siedepfannen der Salzkoten geleitet, wo das Salz durch Holzfeuerung „gesotten“ wurde. Dabei wurde das salzhaltige Wasser solange gekocht, bis ein feuchtes, körniges Gemisch entstanden war, welches dann in Körben getrocknet wurde. Das Holz wurde aus den umliegenden Wälder bezogen.
Die Organisation der Saline ist keineswegs mit einem heutigen Betrieb zu vergleichen. Da das Salinenwesen dem Bergbau zugeordnet wurde, bildete sich eine gewerkschaftliche Struktur heraus. Von den 15 Salzkoten, also Siedeplätzen, gehörten 14 der Gewerkschaft und eine dem Landesherren. Die Mitglieder der Gewerkschaft hatten Anteile an der Saline und durften nach festgelegten Ritualen und Regeln aus der Sole Salz sieden. Verwaltet wurde die Salzgewerkschaft durch jeweils 2 Salzgrafen. Der Verkauf des Salzes erfolgte durch Salzkärrner. Streitigkeiten innerhalb der Gewerkschaft wurden einmal jährlich im Rahmen des Pfännergerichtes gelöst. Über die Anfänge der Gewerkschaft und die Strukturen ist nichts genaueres bekannt. Für den Zeitraum ab etwa 1600 exestieren jedoch noch zahlreiche Unterlagen in verschiedenen Archiven, die auf eine genauere Auswertung warten.
Soleförderung ab 1586 durch die Wasserkunst
Um die Handarbeit zu verringern und die Produktivität zu erhöhen, wurde im Jahre 1586 wurde zur Förderung der Sole eine sog. „Feldkunst“ oder „Wasserkunst“ gebaut, deren Gestänge durch ein großes Mühlrad der herrschaftlichen Mühle in der Nähe des heutigen Festplatzes angetrieben wurde und quer durch den Ort führte. Die Straße wurde durch eine Höherlegung des Gestänges überbrückt, sodass nur für ungewöhnlich große Fuhrwerke die Kunst für kurze Zeit abgestellt und der oberste Balken entfernt werden musste. Für Wartung und Reparatur war ein sog. Kunstmeister zuständig. Im Brunnenhaus trieb die Kunst primitive Solepumpen (vermutlich zwei) an, die die 5 lötige Sole (also Sole mit 5% Salzgehalt) aus ca. 6-7m Tiefe empor förderten. An dem eigentlichen Siedeprozess hatte sich nichts grundlegendes geändert. Da durch Hochwasser und schlechten Witterungsverhältnissen Wasserkunst und Siedehäuser nicht das ganze Jahr im Betrieb waren, wurde 1662 ein Vorratshaus angelegt, um immer Salz anbieten zu können.
Das erste „Leckewerk“
Im Jahre 1693 wurde nach langen Streitigkeiten der Pfänner untereinander endlich ein Leckewerk in Salzderhelden errichtet, da sich zum einen durch die veralteten Anlagen in Salzderhelden und zum anderen durch den Betrieb der Saline in Sülbeck, die seit 1689 im vollem Betrieb war, zunehmend Umsatzeinbußen und ein Rückgang der Salzqualität einstellte. Ein Leckewerk besteht aus einer haushohen Holzkonstruktion, in deren Mittel Strohbündel gestapelt werden. Die Sole wird nun über Pumpen auf das Bauwerk gepumpt und durch das Stroh in eine Wanne geleitet. Bei dem langsamen Rieselungsprozess verdunstete ein Teil des in der Sole enthaltenen Wassers durch den Wind, der durch die Strohbunde blies, sodass die Sole nach dem Gradieren 20% bis 30% Salzgehalt hatte (20 bis 30 lötig). Somit benötigte man zum Sieden weniger Brennholz, dass unter großem Kosten- oder Arbeitsaufwand besorgt werden musste. Außerdem brauchte man zum Sieden einer Siedepfanne weniger Zeit, sodass insgesamt über das Jahr mehr Salz produziert werden konnte. Bei dem Nachfolger der Leckewerke, der Gradierwerke, wurde das Stroh durch Schwarzdornäste ersetzt, da diese nicht so oft ausgetauscht werden mussten.
Das Leckewerk war 1695 betriebsbereit und hatte eine Länge von 112 Metern. Im vergleich zu anderen Salinen waren die Salzderheldener regelrechte Spätzünder, da bereits seit Anfang des 17. Jahrhunderts Gradierwerke in Deutschland Verwendung fanden.
Durch mittels der Wasserkunst angetriebene Pumpen gelangte die geförderte Sole auf das Leckewerk, von wo sie über die Stroh- und später Schwarzdornenbunde in eine Wanne rieselte. Bis zum Abriss im Jahre 1762 wurde das dieses mehrere Male erweitert und Streitigkeiten und Konkurrenz mit der Saline Sülbeck begleiteten die Salzproduktion.
Verpachtung und Verlegung des Salzwerkes vor den Ort
(Flurstück „Auf dem Flahmcke“)
Im Jahre 1755 wurde die gesamte Saline an das Königreich Hannover, das auch die Saline Sülbeck berieb, auf 30 Jahre verpachtet und mit Sülbeck gemeinsam verwaltet. Die Salzgewerkschaft erhielt eine Pacht. und hatte keinen Einfluss auf die Salzproduktion mehr. Dieser Schritt war notwendig geworden, da der Saline im Dreißigjährigen Krieg scherer Schaden zugefügt worden war und für Modernisierung das Geld fehlte. Die Absatzzahlen waren setig gesunken.
Die Regierung entschied sich dazu, für die Salzproduktion eine einheitliche Salinenanlage zu bauen, da die Produktion in den 15 getrennten Salzkoten unwirtschaftlich geworden war. Das Leckewerk, das im Siebenjährigen Krieg (1756-63) stark beschädigt worden war, war außerdem nur mit hohen Kosten zu reparieren. Nach Ablauf der Pacht sollten alle Anlagen in den Besitz der Salzgewerkschaft übergehen.
Auf dem heutigen Salinengelände wurde neben Wohnhäusern für Kunstmeister, Salzsieder, und Beamte ein großes Siedekot, ein Vorratshaus und ein Holzschuppen errichtet. Als Ersatz für das alte Leckewerk, dass nur noch bis zum Abriss 1762 teilweise mitbenutzt wurde, baute man ein 363 Meter langes neues Gradierwerk, das etwas moderner war. Die Länge reichte jedoch nicht aus, sodass 1773 eine Erweiterung um 113 Meter vorgenommen wurde. Die Sole wurde weiterhin im Brunnenhaus gefördert, die Wasserkunst trieb sowohl die Solepumpen, als auch die Gradierwerkspumpen an und hatte nun eine Länge von fast einem Kilometer. Zum Antrieb der Gradierwerkspumpen wurden außerdem zwei Windmühlen auf dem Gradierwerk instaliert. Die Salzproduktion erfolgte nicht mehr in einzelnen Hütten, sondern in einem großen Siedehaus auf dem Flahmke. Der Salzsieder war in dem neuen Werk nur noch Arbeitnehmer.
Mühle mit Wasserkunst zweiter Bauart
unter dem Heldenberg um 1760. Links ist das Amtsbrauhaus zu sehen]
Das Gradierwerk um 1760
Hier würde sich das Gradierwerk heute befinden, wenn es noch stehen würde.
Die erste Tiefenbohrung und Errichtung einer Solebadeanstalt
Nach mehreren Pachtverlängerungen gelangte die Saline schließlich 1850 zurück in die Hand der Salzgewerkschaft. 1851 entschied man sich dazu, die Sole auch zu Heilzwecken zu benutzen und richtete eine kleine Badeanstalt mit Kübelbadewannen ein. Da sich zunehmen der Konkurrenzdruck der Sülbecker Saline bemerkbar machte, entschieden sich die Gewerke 1856 dazu, auf dem Salinengelände eine Bohrung vorzunehmen, um aus einer Tiefe von 450 Meter Sole mit einem höheren Salzgehalt zu fördern und somit das Gradierwerk, dass immer mit neuen Dornen bestückt werden musste und dessen Gradierprozess sehr lange dauerte, zu ersetzen. Ab 1859 konnte mit der Förderung begonnen werden. Der Solebrunnen im Ortskern war somit ebenfalls überflüssig geworden. Die Wasserkunst diente zu Beginn jedoch noch zum Betrieb der Solepumpe im neu errichteten Bohrturm, bis sie 1860 durch eine Dampfmaschine ersetzt wurde. Die Produktionsmenge der Saline stieg durch die neue Bohrung erheblich, sodass in den Folgejahren einige Neubauten von Siedehäusern und Erneuerungen möglich waren. Auch die Solebadeanstalt wuchs stetig. 1878 waren schon 10 Badezimmer vorhanden.Wasserkunst und Gradierwerk, sowie die alte herrschaftliche Mühle wurden spätestens 1880 abgebrochen, vermutlich schon früher.
Die zweite Tiefenbohrung und Erweiterung der Anlagen
Im Jahre 1882 wurde eine neue Bohrung auf dem Salinengelände vorgenommen, da das Bohrloch I nicht mehr genügend Sole lieferte. Diese Bohrung erreichte eine Tiefe von 380 Meter und 1884 begann man mit der Förderung, sodass das Bohrloch I stillgelegt wurde. Durch weitere Neubauten und Erweiterungen waren im Jahr 1885 7 Siedehäuser mit insgesamt 9 Pfannen (Siedefläche 500m²), Trocknungsanlagen und Vorratshäuser vorhanden. Das Erscheinungsbild der Saline hatte sich nicht nur durch die hohen Schornstein, sondern auch durch den Abriss von Wasserkunst und Gradierwerk grundlegend verändert. Bis zum Ersten Weltkrieg (1914-1918) wurde auch die Badeanstalt weiter ausgebaut und ein Inhalationsraum eingerichtet. Die 1854 gebaute Eisenbahn Hannover-Kassel mit Bahnhof in Salzderhelden brachte nicht nur Kurgäste, sondern ermöglichte auch den besseren Absatz des Salzes.
Elektrifizierung und Stilllegung der Saline
Während des Ersten Weltkrieges wurde trotz Personal- und Kohlemangel der Betrieb weitgehend aufrecht erhalten. 1917 kam es jedoch zu einer ernsten Störung der Förderung, da Gipsablagerungen das Bohrloch behinderten und bei Bergungsversuchen das Bohrgestänge abriss. Eine Reparatur und Säuberung der Anlage war nötig. Ab 1920 wurde die Dampfmaschine durch einen elektrischen Antrieb ersetzt, der das Gestänge antrieb. 1933 wurde der Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen jedoch arg heruntergefahren, es waren nur noch 2 Pfannen in Betrieb. Erst nach dem Einbau eines Trockners für 4 Siedepfannen konnte die Produktion wieder erhöht werden. Ab 1950 stellten sich durch geringeren Salzgehalt und mehrere Pumpenprobleme wieder Produktionseinbußen ein. Nach einem erneuten Salzgehaltabfall führte das Bergamt eine Untersuchung durch und kam zu dem Schluss, dass der Solezutritt zum Bohrloch vermutlich gestört war, ein Problem, dass nicht so einfach zu beseitigen gewesen wäre. Durch wirtschaftliche Probleme stellte die Saline Salzderhelden, wie viele andere Salinen zu der Zeit auch, am 5.3.1960 den Betrieb für immer ein. Die Salinengebäude wurden ein Jahr später von der Stadt Einbeck gekauft, die leider alle Anlagen bis auf die Wohnhäuser und die Badeanstalt, den Bohrturm II und das Solereservoir (vermutlich ~1860 erbaut) bis Mitte der 1970er Jahre abreißen ließ. Die Sole wurde nur noch für das örtliche Solbad gefördert. 1970 wird die Gestängepumpe durch eine kleine Elektrokreiselpumpe ersetzt, die die Badesole in das Solereservoir pumpt. Im Laufe der 1990er Jahre endet jedoch auch der Badebetrieb und die Wohnhäuser samt Badehäuser werden verkauft. Der Bohrturm und das Reservoir sind heute noch im Besitz der Stadt Einbeck. Im Bohrturm lässt sich noch gut die Funktion der alten Pumpenanlage erkennen, es sind jedoch einige Erhaltungsmaßnahmen erforderlich um den letzten Rest der 800 bis 900 Jahre alten Salzderheldener Salinengeschichte langfristig zu erhalten. Im Jahre 2009 wurde der Bohrturm von der Stadt Einbeck u.a. durch verschiedene Fördermittel saniert, da Wassereinbrüche im Dach und faulende Bausubstanz den Turm gefährdeten. Initiert wurde diese Maßnahme aber maßgeblich durch den Einsatz des Ortsrates und engagierter Bürger, die auf den Verfall aufmerksam machten. Für die Zukunft ist durch den Kultur-Förderkreis geplant, die Rest der historischen Technik wieder in Betrieb zu nehmen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sowie Sole zum Schausieden zu fördern.
Ausführlich ist die Salzderheldener Salinengeschichte im 1. Salzderheldener Geschichtsblatt nachzulesen, welches im Salzderheldener Museum erhältlich ist.
Der Zustand der Saline um 1930
Quellen:
Die Informationen sind im Laufe meiner Recherchearbeit im Rahmen des Kultur-Förderkreises seit 2005 hauptsächlich folgenden Quellen entnommen:
– Otte, Friedrich: Die Geschichte des Salzwerks und der Salzgewerkschaft Salzderhelden, 1918
– Paulig, Gerhard: Geschichte der Saline Salzderhelden, 1984
– Salinenakten im Stadtarchiv Einbeck
– Salinenakten im Archiv der Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld
– Zeitzeugenberichten
(C) Bastian Sauthoff · 2010